Wie sieht Verfolgung in der Türkei aus?
Auf den ersten Blick schützt das türkische Rechtssystem religiöse Freiheiten. Das ist jedoch nicht die gelebte Realität für Christen in der Türkei. Der religiöse Nationalismus ist sehr stark und setzt die Christen zunehmend unter Druck.
Nationalismus und Islam sind untrennbar miteinander verbunden. Jeder, der kein Muslim ist, besonders jemand, der offen einen anderen Glauben auslebt, gilt als illoyal der Türkei gegenüber. Christen werden daher nicht als vollwertige Mitglieder der türkischen Gesellschaft angesehen. Sie haben nur begrenzten Zugang zu staatlichen Positionen und werden in der Privatwirtschaft diskriminiert, vor allem wenn die Arbeitgeber mit der Regierung verbunden sind. Da die Religionszugehörigkeit nach wie vor in den Personalausweisen vermerkt wird – heutzutage über einen elektronischen Chip –, ist es einfach, christliche Bewerber zu diskriminieren. In den letzten Jahren hat die Regierung ausländischen Christen mit türkischen Ehepartnern und Kindern verboten, sich im Land niederzulassen.
Obwohl der Übertritt vom Islam zum Christentum rechtlich nicht verboten ist, werden die Konvertiten von ihren Familien und Gemeinschaften unter Druck gesetzt, zum Islam zurückzukehren. Wenn ihr Glaube aufgedeckt wird, kann ihnen eine Scheidung und der Verlust von Erbschaftsrechten drohen. Konvertiten aus dem Islam können ihre Religionszugehörigkeit auf dem Personalausweis legal zwar auf das Christentum ändern lassen, aber das Verfahren ist anstrengend und mit vielen diskriminierenden Hürden durch vereinzelte Regierungsbeamte gepflastert.
Wer ist von Verfolgung am stärksten betroffen?
In der Türkei sind es die Frauen, die vom Islam zum Christentum konvertieren, die am stärksten von Verfolgung bedroht sind. Wenn ihr Glaube entdeckt wird, können sie Gewalt durch ihre eigenen Familien erleiden. In den schlimmsten Fällen sind sie sexueller Gewalt ausgesetzt, was in ländlichen Gebieten häufiger der Fall ist, die eher konservativ und streng islamisch geprägt sind.
Im Südosten sind die historisch gewachsene armenische und assyrisch-syrische Kirche dem Druck der Verfolgung und Anfeindungen ausgesetzt. Seit Jahrzehnten sind sie zwischen den Rivalitäten der türkischen Armee und kurdischen Widerstandsgruppen gefangen. Nur noch wenige dieser Christen leben in dieser Region. Die meisten sind in die Westtürkei umgezogen, um dem Konflikt zu entgehen.
»Der einzige Grund, den ich mir vorstellen kann, ist, dass wir gläubig sind und unseren Glauben manchmal mit den Menschen vor Ort geteilt haben. Darum bin ich gezwungen, das Land zu verlassen.«
Hans-Jürgen Louven, der die Türkei verlassen musste
Was hat sich im vergangenen Jahr verändert?
Der Druck auf Christen hat etwas zugenommen. Der Hauptgrund ist die Zunahme der gemeldeten Gewaltvorfälle. Die Türkei stieg somit auf dem WVI um einen Platz nach oben. Zwar wurden in den vergangenen zwölf Monaten keine Christen getötet, doch eine größere Anzahl von Kirchengebäuden beschädigt, geschändet, in Moscheen umgewandelt oder anderweitig attackiert.
In der Türkei gehen Islam und ein starker Nationalismus Hand in Hand. Die aggressive Rhetorik der Regierung lässt anderen Stimmen und Perspektiven, wie z. B. dem Christentum, wenig Raum. Das Misstrauen gegenüber Christen ist groß, vor allem im Landesinneren. Große Teile der Gesellschaft lehnen das Christentum deutlich ab. Das erschwert die Arbeit in der Öffentlichkeit. Und das Niveau der Diskriminierung und des Missbrauchs christlicher Asylbewerber und Flüchtlinge, einschließlich Konvertiten aus dem Iran, Afghanistan, Syrien und anderen Ländern, ist auch im vergangenen Jahr sehr hoch gewesen.
Wie hilft Open Doors den Christen in der Türkei?
Open Doors organisiert weltweit Gebetsunterstützung für verfolgte Christen in der Türkei.
Länderprofil herunterladenGott, unser Vater, wir beten für das Zeugnis unserer Schwestern und Brüder in der Türkei. Lass ihren Glauben hell leuchten, damit alle, die mit ihnen zu tun haben, darin Christus erkennen. Hilf ihnen, ein Leben zu führen, das neugierig macht, so dass mehr Menschen die Freude an der Nachfolge Jesu entdecken. Lass durch kleine Begegnungen mit Christen das Misstrauen in der Gesellschaft sinken und die Toleranz zunehmen, damit die religiöse Diskriminierung verschwindet. Amen