Nachrichten Sri Lanka | 03 Juni 2020

SRI LANKA: Die Notleidenden begleiten – so lange wie es nötig ist

Am Ostersonntag 2019 wurden die Christen Sri Lankas von einer schrecklichen Tragödie erschüttert. In drei Kirchen und drei Hotels zündeten islamische Terroristen Bomben. 259 Menschen starben. Am Tag darauf war Sunil*, ein Mitarbeiter von Open Doors, auf dem Weg nach Batticaloa, wo er eine Stadt in tiefer Trauer vorfand.

 

 
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Am Ostersonntag 2019 wurden die Christen Sri Lankas von einer schrecklichen Tragödie erschüttert. In drei Kirchen und drei Hotels zündeten islamische Terroristen Bomben. 259 Menschen starben. Am Tag darauf war Sunil*, ein Mitarbeiter von Open Doors, auf dem Weg nach Batticaloa, wo er eine Stadt in tiefer Trauer vorfand. Heute, ein Jahr später, blickt er zurück und nach vorne.

Batticaloa an der Ostküste Sri Lankas ist auf den ersten Blick eine typische asiatische Stadt, irgendwie friedlich. Aber die Stadt hat eine tragische Geschichte. Batticaloa erlebte während des Bürgerkriegs, der bis 2009 herrschte, viel Gewalt. Am 9. September 1990 ermordete die sri-lankische Armee mindestens 184 Flüchtlinge der tamilischen Minderheit in der Region – auch bekannt als das Batticaloa Massaker.

Vierzehn Jahre später wurde Batticaloa schwer vom Tsunami am 26. Dezember getroffen, als sechs Meter hohe Wellen durch die Stadt fegten, Geschäfte, Häuser und Schulen zerstörten, Hunderte von Menschen töteten und sogar Landmienen verschoben, die noch aus dem Bürgerkrieg stammten.

Den Betroffenen beistehen
Als Sunil am Ostersonntag 2019 das Ausmass der Angriffe auf zwei katholische Kirchen in Colombo und die evangelische Zion Kirche in Batticaloa erkannte, wusste er, dass es seine Aufgabe war, seinen betroffenen Geschwistern beizustehen. Heute, nachdem er die Kirche in Batticaloa fast ein Jahr lang begleitet hat, denkt er zurück: «Aus früheren Krisen wissen wir, dass die Opfer in den ersten Tagen und Wochen alle Aufmerksamkeit und Hilfe erhalten, die sie brauchen, aber nach einem Monat werden die Besuche immer weniger, bis sie wieder auf sich allein gestellt sind.»

Und er fährt fort: «Unsere Botschaft ist: Wir sind hier und wir bleiben hier. Im Namen von Open Doors habe ich Batticaloa mehrmals besucht, um unseren christlichen Brüdern und Schwestern, die von dieser Tragödie getroffen wurden, beizustehen.»

Besuch der Hinterbliebenen
Sunil kam einen Tag nach dem Attentat mit einem Freund und dessen Tochter in Batticaloa an. Sie parkten ihr Auto ein paar Blocks vom Unglücksort entfernt. Sunil näherte sich der Kirche, die vom Militär abgeriegelt worden war. Zum zehnten Mal an diesem Tag zeigte er einem Soldaten seine Identitätskarte. Doch zum ersten Mal wurde er nicht durchgelassen.

Nachdem sie einige lokale Kontakte angerufen hatten, besuchten sie Menschen, die sich darauf vorbereiteten, ihre verstorbenen Angehörigen zu beerdigen. Zuerst gingen sie zu Jacksons Haus. Jackson war 13 Jahre alt, Kapitän einer örtlichen Basketballmannschaft und nahm begeistert an den Sonntagsschulklassen der Zion Kirche teil. Er war tot. Selbst von draussen konnte Sunil die Klagelaute seiner Familie hören. «Oh Jackson! Warum musstest du gehen?» In Sri Lanka trauern die Menschen nicht im Stillen.

Sunil und seine Begleiter sprachen der Familie ihr Beileid aus. Jackson und seine Tante, eine Sonntagsschullehrerin namens Verlini, lagen Seite an Seite in zwei versiegelten Särgen. Die Fotos darüber zeigten jeweils ein schönes, ­lächelndes Gesicht. Dies waren Menschen, die geliebt worden waren, die etwas ­bedeutet hatten.

Die 36-jährige Verlini leitete den Kindergottesdienst. Es war kurz vor dem Gottesdienst und die meisten Kinder waren noch draussen. Währenddessen sprach der Selbstmordattentäter mit einigen Gemeindemitgliedern. Er zündete seine tödliche Bombe in der Nähe des Eingangs, nahe der Kinder, und tötete Verlini, ihren Neffen Jackson und ­Dutzende andere.

«Alle weinten»
Dann kamen sie zu Peters Haus. Peter war erst sieben, als er bei der Explosion starb. Sunil und sein Team liessen Peters Familie über ihren Sohn, sein Leben und seinen Tod sprechen. «Alle weinten, auch wir», sagt Sunil. «Wir gaben ihnen keine Ratschläge. Wir hielten ihre Hand, umarmten sie und beteten für sie in den wenigen Worten, die wir finden konnten.»

Später besuchten sie einen Hilfspastor, der erst seinen eigenen Sohn begraben musste, damit er die Trauerfeier für die anderen Gemeindemitglieder leiten konnte. «An diesem Abend bat ich den Herrn um alle Kraft, die er mir geben konnte. Ich konnte das einfach nicht allein tun», sagte Sunil.

Keine schnelle Lösungen
Sunil nahm mit den Leitern der Zion Kirche Kontakt auf. Er erkundigte sich nach ihren unmittelbaren Bedürfnissen. Inmitten des Chaos dieser ersten Woche konnte jedoch niemand wirklich sagen, was sie brauchten. Die grundlegendsten Bedürfnisse, wie die medizinische Notversorgung der Verletzten, wurden von der Regierung gedeckt.

Aber Sunil wusste, dass die Gemeinde Unterstützung brauchen würde, lange nachdem die erste Woche vorbei war und die Kameras verschwunden waren. Diese Gläubigen brauchten keine schnellen Lösungen – sie brauchten Menschen, die ihnen solange beistanden, wie sie es brauchten. Und Open Doors und Sunil beschlossen, genau dies zu tun.

Kleine Geschenke zeigen grosse Liebe
In den Monaten nach dem Angriff organisierte Sunil eine Ermutigungskampagne für die Familien, die geliebte Menschen verloren hatten. Dutzende Pakete – gefüllt mit Bastelmaterial, Keksen, Schmuck und ermutigenden Karten, Briefen und Zeichnungen von Christen weltweit sowie mit Schulungsmaterial zu Verfolgung – wurden an die betroffenen Familien verteilt. Der Schmerz und die Trauer konnten nicht weggenommen werden, aber Sunil sah, wie diese Pakete ein Lächeln auf die Gesichter der Gläubigen zauberten.

«Ihr seid gekommen, habt mich getröstet und für mich gebetet. Das werde ich nie vergessen. Danke. Wir weinen, aber die Gegenwart Gottes wischt unsere Tränen ab.»
Mutter, die ihren 12-jährigen Sohn verlor

Kleine Geschenke zeigten den Gläubigen grosse Liebe; sie waren ein Beweis dafür, dass der Leib Christi sie nicht vergessen hatte. Durch die Unterstützung der Spender von Open Doors konnte Sunil den Christen auch mit praktischer Hilfe ­beistehen. Einige Christen erhielten finanzielle Unterstützung, damit sie für ihre medizinischen Kosten aufkommen konnten.

Ein paar Familien erhielten neue Motorräder, nachdem ihre eigenen bei der Explosion zerstört wurden – Motorräder sind das häufigste Transportmittel in Sri Lanka, so dass es ohne sie viel schwieriger ist, sich fortzubewegen. Sunil konnte auch einige wenige Familien, die ihr Einkommen verloren hatten, in ihrem Lebensunterhalt unterstützen.

«Wir werden ihnen weiter beistehen»
Man sagt, dass das Licht dort am hellsten leuchtet, wo die Dunkelheit am grössten ist. Dies gilt mit Sicherheit für Sri Lanka nach den Angriffen, die so viele Tote und unzählige Verletzte forderten: «Wir haben gesehen, wie sich die Familie Christi zusammengeschlossen hat, um zu trauern, zu trösten und zu unterstützen. Kein verfolgter Christ sollte sich allein fühlen. Wir werden ihnen so lange beistehen, wie es nötig ist.»

Sunils Arbeit ist noch nicht zu Ende. Er arbeitet weiter mit der Zion Kirche sowie mit den beiden römisch-katholischen Gemeinden. Er plant, Seelsorge für betroffene Christen anzubieten. Er weiss, wie wichtig das ist – seine eigene Mutter wurde nach dem Tod seines Bruders in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Sie konnte ihr Trauma nicht verarbeiten.

«Die Tragödien in meinem eigenen Leben haben mich stärker gemacht», sagt Sunil. «Nach den Angriffen habe ich nie an Gottes Liebe gezweifelt. Ich habe nie gefragt: ‹Warum ist das passiert, Gott?›. Ich hatte diese Frage tausend Mal gestellt, nachdem mein Bruder wegen seiner politischen Ansichten und mein bester Freund wegen seines Glaubens ermordet wurden. Gott hat seinen Plan jedoch nie offenbart. Aber er hat mir seine Liebe gezeigt. Selbst wenn ich heute grosse Fragen habe und er nicht antwortet, weiss ich, dass uns eines Tages alles klar sein wird. Bis dahin müssen wir Glauben haben.»

«Ich bin kein Held, aber ich vertraue Gott»
Ist das der Grund, warum Sunil Gott weiter dient und sogar in gefährliche Gebiete hinein geht, wenn andere daraus fliehen wollen? «Ich bin kein Held, aber ich vertraue Gott. Ich habe keine Angst vor dem Tod. Meine Beziehung zu Jesus ist das Wichtigste. Ich liebe Jesus und ich liebe mein Land. Wenn ich an einen gefährlichen Ort gehe, sage ich meinen Liebsten: ‹Wenn mir etwas passiert, ist dies kein Verlust. Christus ist mein Leben und ­Sterben ist mein Gewinn›.» /

* Name geändert

Magazin April 2020– Auszug


 

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